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TextilWirtschaft: "Eine Reihe Händler hat für ihr lokales Marktpotenzial zu hohe Kosten"

L&T rettet Wormland, Böckmann übernimmt in diesen Tagen die Standorte des Modehaus Maaß. Tobias Humpert, geschäftsführender Gesellschafter bei der Unternehmensberatung hachmeister + partner, spricht im Interview mit der TextilWirtschaft über die Herausforderungen von Akquisitionen und darüber, warum ihre Attraktivität für viele Platzhirschhäuser in der aktuellen Marktsituation gestiegen ist.

Veröffentlicht am 08.07.2024

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"Eine Reihe Händler hat für ihr lokales Marktpotenzial zu hohe Kosten"

L&T rettet Wormland, Böckmann übernimmt in diesen Tagen die Standorte des Modehaus Maaß. Tobias Humpert, geschäftsführender Gesellschafter bei der Unternehmensberatung hachmeister + partner, spricht im Interview mit der TextilWirtschaft über die Herausforderungen von Akquisitionen und darüber, warum ihre Attraktivität für viele Platzhirschhäuser in der aktuellen Marktsituation gestiegen ist.

TextilWirtschaft: Böckmann übernimmt Maaß, Zinser Kuhn in Bad Mergentheim und jetzt rettet L&T Wormland. Welche Rolle spielen Akquisitionen in der Expansionsstrategie von Platzhirschhäuser?
Tobias Humpert:
Viele Platzhirschhäuser haben über die letzten Jahre an vielen Stellen investiert, was auch richtig war, sie haben so ihre eigene Relevanz abgesichert. Hinzu kommen Kostensteigerungen im Handel, etwa für Personal, Energie etc. Das bedeutet, dass viele mittelständische Fachhändler sich zwar strategisch für ihren Standort gut aufgestellt haben, aber die Kostenstruktur dabei deutlich angestiegen ist. Ich beziehe mich dabei gar nicht auf die drei Genannten, sondern auf eine generelle Branchenentwicklung. Es gibt sicherlich eine ganze Reihe von Händlern, die für ihr lokales Marktpotenzial nun zu hohe Kosten haben. In einer Marktsituation, in der das regionale Potenzial auf Sicht nicht wachsen wird, wird manch ein Platzhirsch Händler nach Wegen suchen, diese Kostenstruktur über eine gewisse Überregionalität in Degressionseffekte zu bringen. Da sind Unternehmensakquisitionen ein möglicher Weg.

Hat sich die strategische Bedeutung von Akquisitionen in dem aktuellen anspruchsvolleren Marktumfeld verschoben?
Der Konsolidierungsdruck steigt natürlich. Auch vor einigen Jahren haben Platzhirschhäuser sich schon mit Möglichkeiten einer überregionalen Expansion über Akquisitionen auseinandergesetzt. Heute kommt für viele das Thema einer Kostendegression und auch einer kritischen Größe für zukünftige Investitionsbedarfe hinzu. In der Kombination der Perspektiven ergibt sich für Akquisitionen eine Attraktivität, die man vielleicht vorher aus reiner Expansionsbetrachtung gar nicht abgeleitet hätte.

Welche Herausforderungen stellt eine solche Akquisition dar?
Sofern auf die Akquisition dann eine Integration folgen soll, lässt sich zwischen zwei Integrationsbereichen unterscheiden. Auf der einen Seite die eher faktisch-technischen Themen, wie ein schlüssiges Organisationsdesign oder die Harmonisierung von IT-Systemen, Daten und Kennzahlen. Auch müssen sicherlich einige Verträge an die neue Struktur angepasst werden. Auf der anderen Seite steht das Thema der kulturellen Integration. Trotz aller standardisierbaren Strukturen und Prozesse müssen die Menschen für die Zusammenarbeit gewonnen werden. Das ist eine Herausforderung, die oft unterschätzt wird, vor allem wenn zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander treffen. Die kulturelle Integration ist daher mindestens genauso wichtig, wie die eher technische Post-Merger-Integration. Theoretisch ist das den handelnden Personen meist klar, in der Umsetzung wird hierauf dennoch oft zu wenig Augenmerk gelegt.

Wie lassen sich hier von Anfang an richtige Weichen stellen?
Ich brauche sehr früh einen schlüssigen Plan wie das Ziel-Szenario marktseitig aussehen soll, was ich entsprechend wann kommunizieren will und welche Ängste und Befindlichkeiten proaktiv adressiert werden sollten. Denn ein paar grundsätzliche Aussagen muss ich sehr, sehr früh, eigentlich sofort zum Start treffen können. Natürlich darf ich gleichzeitig nicht den Anspruch haben, alles schon im Detail zu fixieren. Dafür wird sich zu viel noch einmal verändern, was später zu Widersprüchen und mangelnder Glaubwürdigkeit führt. Aber ich brauche sehr früh ein Zielbild, das ich vermitteln kann, um die Leute mitzunehmen und letztendlich natürlich auch meine Leistungsträger an Bord zu halten.

Neben einer klassischen Übernahme und Integration in die Unternehmensstrukturen gibt es ja auch den Fall – wie etwa jetzt bei L&T und Wormland – dass man zwar denselben Gesellschafterkreis hat, aber weiterhin als unabhängige Unternehmen existiert. Wie kann das funktionieren?
In diesem konkreten Fall kann und will ich das nicht sagen. Aber natürlich kann über solch eine Konstruktion grundsätzlich erst einmal das Risiko reduziert werden, da über das akquirierte Unternehmen nicht direkt das Bestandsunternehmen gefährdet wird. Auf der anderen Seite ist die Realisierung von Synergien erschwert. Natürlich gibt es dennoch Wege, Synergien zu realisieren, z.B. im Einkauf, in der IT oder in verschiedenen Verwaltungsbereichen. Aber ich brauche im Endeffekt zwei in sich funktionierende Komplettstrukturen.

Also perspektivisch vielleicht keine Dauerlösung?
Das hängt sicherlich vom Einzelfall ab. Aber klar, man muss diese Entscheidung nicht auf alle Zeit treffen, und kann sich diese Frage in regelmäßigen Zeitabständen stellen. Das kann ein guter Weg sein, erst mal Risiko und zeitlichen Druck rauszunehmen. Daraus entsteht wertvoller Freiraum und die Möglichkeit zunächst zu lernen, was wirklich zusammenpasst und was nicht.

TextilWirtschaft, Judith Kessler: "Eine Reihe Händler hat für ihr lokales Marktpotenzial zu hohe Kosten" (Donnerstag, 04. Juli 2024)

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