// Fachartikel

TextilWirtschaft: "Steigende Nervosität führt zu zunehmenden Preisabschriften"

Uwe Seibicke, Partner bei hachmeister + partner, über das schwierige Frühjahr, die hohe Nachfrage nach Bermudas und die Verlängerung der Sommersaison.

Veröffentlicht am 19.06.2024

null
Magazin > TextilWirtschaft: "Steigende Nervosität führt zu zunehmenden Preisabschriften"

"Steigende Nervosität führt zu zunehmenden Preisabschriften"

Uwe Seibicke, Partner bei hachmeister + partner, über das schwierige Frühjahr, die hohe Nachfrage nach Bermudas und die Verlängerung der Sommersaison.

TextilWirtschaft: Schon der April, aber auch der Mai mit den starken Regenfällen und vielen Feiertagen, waren herausfordernd. Wo steht der Modemarkt nach diesen zwei Monaten?
Uwe Seibicke: Der Modehandel hat es im Moment schwer, was aber nicht ausschließlich am Wetter liegt. Die sich häufenden negativen Nachrichten aus aller Welt verunsichern die Menschen, was zu einem rückläufigen Konsum führt. Die Stimmung ist volatil.

Wie zeigt sich das in Ihrem Panel?
Der Mai schloss in unserem H.I.T.-Kreis mit einem Umsatzplus von 1,4% zum Vorjahr ab. Am besten schnitt die Region Nord/Ost mit plus 3,6% ab. Die Frequenz hingegen sank um 3,9% zum Vorjahr. Dies bedeutet, dass die Kunden, die gekauft haben, einen höheren Bon hatten. Es ist ein Hinweis, worauf es jetzt verstärkt ankommt: Der Kunde sollte noch mehr im Fokus stehen und in der Servicequalität sollte nicht nachgelassen werden. Dies ist durchaus eine Herausforderung bei gleichzeitig steigenden Kosten.

Wie haben sich die wichtigsten Kennzahlen entwickelt?
Als positiv ist die Stück-Umsatzentwicklung mit plus 1,8% im Mai zum Vorjahr hervorzuheben. Außerdem konnte der Lagerbestand (EK) um 2,5% im Vergleichszeitraum reduziert werden. Dies könnte unter anderem auch auf moderate Erhöhungen der Preisänderungen zurückzuführen sein (plus 0,5 Prozentpunkte zum Vorjahr). Die positive Umsatzentwicklung und der verringerte Lagerbestand wirken sich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht auf die rollierende LUG aus.

Welche Stilgruppen sind gut, welche schlecht gelaufen?
Am besten hat im Mai in der DOB die Trendy Stilgruppe mit plus 10,5% Umsatz zum Vorjahr abgeschlossen. Am schlechtesten der nennenswerten Stilgruppen performte der Classic Mainstream-Bereich (minus 4,6% zu 2023).

In der HAKA sieht das Bild für den Mai etwas anders aus: Hier lief die Stilgruppe Modern Man Premium mit plus 7,0% zum Vorjahr am besten. Am schlechtesten schnitt ebenfalls der Classic Mainstream-Bereich ab. Dies korrespondiert mit den Kunden, die im Wesentlichen in diesen Segmenten kaufen. Die traditionelleren Kunden halten sich beim Konsum stärker zurück.

Welche Produkte waren gefragt?
Nicht verwunderlich bei dem Wetter: Die Pullover schlossen bei den Damen mit einem Umsatzplus von 14,9% zum Vorjahr ab, was einen bedeutenden Anteil an der Veränderung bei den Strickwaren im Mai mit plus 11,7% zum Vorjahr ausmachte. Für die Sortimente Mäntel (minus 24,2% zum Vorjahr) und Jacken (minus 19,0%) lief es dagegen im Mai nicht so gut.

Den Herren hat das Wetter im Mai scheinbar nichts ausgemacht, denn die Bermudas schnitten mit plus 42,3% zum Vorjahr ab. Auch die Freizeithemden entwickelten sich sehr positiv mit 21% zum Vorjahr. Die Nachfrage nach Jacken ist bei den Herren im Mai dagegen rückläufig gewesen (minus 26,5% zum Vorjahr).

Wo liegt Ihr Panel aufgelaufen nach fünf Monaten?
Mit dem Umsatz liegen wir aufgelaufen per Mai bei einem Plus von 0,7% zum Vorjahr. Die Stück-Umsätze hingegen sind aufgelaufen weiterhin rückläufig mit minus 1,9% zum Vorjahr.

Was bedeutet die Entwicklung für das Thema Abschriften?
Wir sehen, dass die Preisabschriften leicht zugenommen haben, was ein Indiz für steigende Nervosität hinsichtlich der zu erwartenden Umsatzentwicklung sein dürfte. Nach wie vor hat die Branche hier ein erhebliches Potenzial. Dieses ist in der Optimierung der Warenbestände zu suchen. KI-gesteuerte Sortimente, wie auch eine stärker vertikale Steuerung der Sortimente sind mögliche Lösungsansätze.

Wird stärker reduziert als in den Vorjahren?
Das lässt sich nicht pauschal sagen, denn an der erzielten Kalkulation hat sich aufgelaufen zum Vorjahr nichts verändert. Auch die Preisänderungen haben sich zwar erhöht, allerdings nicht herausstechend viel. Clevere Systeme identifizieren Artikel, die auch einen höheren Preis ermöglichen. Auch dies kann ein Ansatz sein, um zu besseren Margen zu kommen.

Was erwarten Sie für den Halbjahresabschluss?
Da die Sommersaison erst vor kurzem gestartet ist, hat der Handel es weiter mit seinen Konzepten und Maßnahmen in der Hand, den Kunden für sich zu gewinnen und entsprechende Umsätze zu erzielen. Wie immer wird es Gewinner und Verlierer geben.

Im vergangenen Jahr zog sich der Sommer bis weit in den September. Inwieweit stellt sich der Handel darauf ein?
Das Wetter ist grundsätzlich unkalkulierbar, und dennoch verlängert sich die Saison stetig. Trotz dieser Erfahrung nutzt der Handel in der Breite die Möglichkeiten noch nicht aus. Die Händler, die es tun, verkaufen zu besseren Margen und erfüllen dem Kunden sein Bekleidungsbedürfnis, wenn das Wetter entsprechend danach ist. Die Herbstware zu einem späteren Liefertermin einzusteuern bzw. eine Flexibilität in den Terminen, ist zusätzlich hilfreich.

Welche Schlüsse lassen sich aus dem Frühjahrssaisonverlauf für die jetzt anstehende Order ziehen?
Die Analyse der Saison wird sicher konsequenter ausfallen. Die Bewertung der Partner, die zum jeweiligen Konzept passen, damit auch. Pauschale Planungen werden ersetzt durch zielgruppenspezifische Ansätze. Die Vororder-Quote wird sicher ein Thema werden und damit verbunden, welche Modelle für partnerschaftliches Zusammenarbeiten infrage kommen. Das Thema Saisonzyklus wird sicher eine Rolle spielen.

TextilWirtschaft, Aziza Freutel: "Steigende Nervosität führt zu zunehmenden Preisabschriften" (Mittwoch, 19. Juni 2024)

// Magazin

Weitere Artikel


© 2024 hachmeister + partner