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TextilWirtschaft: "Trotz massiv gestiegener Durchschnittspreise bewegen wir uns unter Vorkrisenniveau"

Der schwache September zieht das dritte Quartal ins Minus. Ein Gespräch mit Marc Unterbrink, Partner bei der Unternehmensberatung hachmeister + partner, über die Umsatzentwicklung, den Rückgang der Stückzahlen und darüber, welche Produktgruppen in den vergangenen Monaten stark nachgefragt waren.

Veröffentlicht am 16.10.2023

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"Trotz massiv gestiegener Durchschnittspreise bewegen wir uns unter Vorkrisenniveau"

Der schwache September zieht das dritte Quartal ins Minus. Ein Gespräch mit Marc Unterbrink, Partner bei der Unternehmensberatung hachmeister + partner, über die Umsatzentwicklung, den Rückgang der Stückzahlen und darüber, welche Produktgruppen in den vergangenen Monaten stark nachgefragt waren.

TextilWirtschaft: Auftakt für eine schwierige Saison oder kurze Durststrecke – wie würden Sie den September für den Modehandel beschreiben?
Marc Unterbrink: Ein ungewöhnlich warmer September hat zu niedrigeren Absatzzahlen der Herbst-/Winterware geführt. Durch diese unerwarteten Absatzrückgänge wurde die Zeit, um diese saisonalen Artikel zu verkaufen, verkürzt. Die Umsatzverluste sind schwerwiegend und es ist eine Herausforderung, sie in den verbleibenden Monaten auszugleichen. Diese Absatzprobleme haben zudem dazu geführt, dass aktuell hohe Lagerbestände vorliegen, die viel Kapital binden. Klar ist jetzt schon, dass dieser September einen maßgeblich negativen Einfluss auf die gesamte Saison haben wird.

Wie hat Ihr Panel den Monat abgeschlossen?
Das sommerliche Wetter im September beeinflusste den Umsatz deutlich. In unserem Panel (H.I.T. stationär) zeigt sich eine rückläufige Umsatzentwicklung von insgesamt minus 10,3%. Der anteilsstarke Damen-Bereich liegt mit minus 10,5% unter dem Durchschnitt, das Herrensegment liegt genau auf dem Durchschnitt. Die Stückzahlen sind im Vorjahresvergleich um 13% zurückgegangen.

Wie haben sich die wichtigsten Kennzahlen entwickelt?
Die Abschriften lagen im September bei 9,7% und damit plus 1,6 Prozentpunkte über dem Vorjahresmonat. Als Auswirkung reduzierte sich die erzielte Kalkulation um minus 0,6 Prozentpunkte. Die Durchschnittspreise erhöhten sich trotz der gestiegenen Abschriften um 3,1%. Die LUG reduzierte sich weiter auf 2,3 und lag somit 0,2 Punkte unter dem Vorjahr.

Welche Produkte sind im September gut gelaufen – in DOB und HAKA?
In der DOB erzielten Röcke (plus 52,3%), Freizeithosen (plus 10,3%) und Kleider (plus 6,4%) einen positiven Monatsabschluss. Diese Warengruppen wiesen auch stückbasiert ein Umsatzplus auf. Bei den Kleidern waren im September vor allem luftige, lockere Kleider mit Prints gefragt. Drei Viertel- und lange Ärmel überwogen bei den Top-Kleidern in diesem Monat. Darüber hinaus waren Midi-Röcke ein besonderes Thema und auch in diesem Jahr läuft der Plissee-Rock gut. Die Röcke mit Blumen-, Tier- oder anderen Prints stachen besonders heraus. In der HAKA performten Polos (plus 10,1%), Freizeithemden (plus 9,7%) sowie Sakkos und T-Shirts (jeweils mit plus 8,5%) am besten.

Welche Stilgruppen waren besonders gefragt?
Bei den Herren erzielte Modern Classic Premium mit minus 3,8% die beste Umsatzveränderung im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die gleiche Stilgruppe schnitt bei den Damen mit plus 5,5% deutlich besser ab und markierte im Segment damit den Höchstwert. Sowohl bei den Damen als auch bei den Herren waren die Umsätze im Bereich Mainstream insgesamt zweistellig rückläufig, der Gesamtbereich Premium schloss mit einem einstelligen mittleren Minus besser ab.

Mit dem September endet das 3. Quartal. Wie hat es Ihr Panel abgeschlossen?
Nach einem guten Quartalsstart sorgte der September für eine merkliche Dämpfung, sodass das Quartal insgesamt mit einem leichten Umsatzverlust von minus 1,7% abschließt. Einen wesentlich stärkeren Rückgang hat der Stück-Umsatz mit minus 9,6% zu verzeichnen. Daraus ergibt sich auch der Anstieg der Durchschnittspreise von plus 8,7%. Insgesamt verringerte sich die erzielte Kalkulation um 0,3 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr.

Was bedeutet das für den aufgelaufenen Jahresumsatz – im Vergleich zu 2022 und 2019?
Zum Vorjahr konnte das aufgelaufene Jahr mit einem Umsatz von plus 5,8% schließen, zu 2019 beträgt der Umsatzverlust minus 3,7%. Insgesamt bewegen wir uns im Modehandel trotz massiver Steigerung der Durchschnittspreise − plus 19,8% zu 2019 −  also weiterhin unter dem Vorkrisenniveau.

Inwiefern wird der schwierige September das vierte Quartal – etwa in Form frühzeitiger Abschriften - beeinflussen?
Aufgrund des herausfordernden Saisonstarts steigt der Druck durch nicht abverkaufte Lagerbestände und damit einhergehende Kapitalbindung. Daher ist zu erwarten, dass die Abschriften früher zunehmen werden – erste Tendenzen sind bereits im September erkennbar. Da Preisreduzierungen zur Verbesserung der Liquidität für einige Händler unerlässlich sein werden, wird es zu einem verschärften Wettbewerbsdruck kommen. Die größte Herausforderung wird es sein, in dieser angespannten Situation die richtigen betriebswirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen.

Was erwarten sie für den Jahresabschluss?
Unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Faktoren erwarten wir im Jahr 2023 für unser Panel ein leicht positives Umsatzergebnis von ca. plus 3% zum Vorjahr.

Was werden in den kommenden Monaten die größten Herausforderungen sein?
Die Modebranche steht derzeit vor mehreren anspruchsvollen Herausforderungen, die eine strategische Herangehensweise erfordern, um in den kommenden Monaten erfolgreich zu sein. Eine der Herausforderungen ist die niedrige Besucherfrequenz in den Geschäften, die akut durch gutes Wetter im September verschärft wurde. Daraus resultierende Überbestände müssen am Ende der Saison entweder abgeschrieben oder zurückgesendet werden, was finanzielle Verluste und Wertvernichtung für alle Beteiligten bedeutet.

Wie sieht es beim Thema Personal aus?
Die Personalbeschaffung ist eine weitere zentrale Herausforderung. Es wird immer schwieriger, qualifizierte und motivierte Mitarbeiter zu finden und langfristig für die Modebranche zu begeistern. Es ist von entscheidender Bedeutung, innovative Arbeitsmodelle und attraktive Anreize anzubieten, um Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. Der demografische Wandel beeinflusst nicht nur die Personal-, sondern auch die Kundenstrukturen. Bei einer Analyse der Altersstruktur der Stammkunden wird deutlich, dass insbesondere bei jüngeren Zielgruppen erhebliches Potenzial für Neukunden besteht. Eine erfolgreiche Zukunft hängt daher davon ab, wie gut ein Unternehmen seine Kunden versteht und die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Kundenkarten-Management nutzt. Je besser die Kundenbindung und die maßgeschneiderte Ansprache der Kundenbedürfnisse gelingt, desto positiver wird der Ausblick auf zukünftigen Erfolg.

Wie wird die angespannte Lage angesichts des aktuell schwachen Warenabflusses das Verhältnis Hersteller-Händler beeinflussen?
Ein regelrechter Überbestand an Waren belastet aktuell die Branche. Um diese Situation zu bewältigen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Händlern und Herstellern unerlässlich. Um langfristig negative Auswirkungen für alle Beteiligten zu verhindern, sollten jedoch Rücksendungsvereinbarungen und die daraus resultierende Wertvernichtung auf ein Minimum beschränkt werden. Die präzise und gemeinsame Steuerung des Warenflusses wird in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen. Dies bringt nicht nur den Vorteil der geringeren Kapitalbindung mit sich, sondern verhindert auch nachhaltig die Entstehung von Rücksendungen. Dank geeigneter Tools und KI-Unterstützung kann die Warensteuerung optimiert und Handlingskosten können reduziert werden. Insgesamt erfordert die aktuelle Marktsituation eine proaktive Herangehensweise, bei der eine engere Kooperation zwischen Händlern und Herstellern sowie die Implementierung moderner Technologien eine Schlüsselrolle spielen, um die Herausforderungen zu meistern und die Wirtschaftlichkeit unserer gesamten Branche nachhaltig zu verbessern.

TextilWirtschaft, Aziza Freutel: "Trotz massiv gestiegener Durchschnittspreise bewegen wir uns unter Vorkrisenniveau" (Mittwoch, 11. Oktober 2023)

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