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Uwe Seibicke, Partner bei h+p, spricht im TW-Interview über den späten Sommer, die veränderte Einsteuerung von Saisonware und die Wichtigkeit von Flexibilität bei Industrie und Handel.
Veröffentlicht am 15.08.2024
Uwe Seibicke, Partner bei h + p, spricht im TW-Interview über den späten Sommer, die veränderte Einsteuerung von Saisonware und die Wichtigkeit von Flexibilität bei Industrie und Handel.
TextilWirtschaft: 30 Grad und Sonnenschein – dieser Sommer startete spät. Wie hat sich das auf die Flächenbestückung im Modehandel ausgewirkt?
Uwe Seibicke: Da die Orders weitestgehend wie geplant ausgeliefert wurden und der Juni eine extrem negative Entwicklung zeigte, hat dies zu einem erhöhten Warendruck auf den Flächen geführt. Der schleppende Abverkauf hatte entsprechend einen unmittelbaren Einfluss auf die Flächendarstellung.
Wie viel Prozent der Sommer- und Herbstware sind noch bzw. schon auf der Fläche?
Das Geschäft mit Sommerware hatte durch verschiedene Einflussfaktoren einen schwierigen Start. Per Ende Juli 2024 lag die Abverkaufsquote von Sommerware bei knapp 70%. Die letzte H/W-Saison 2023/24 hat im Extremen aufgezeigt, dass sich die Saisons spürbar verschieben. Daher werden spätestens jetzt die Zeitpunkte der Einsteuerung von Saisonware hinterfragt. Im aufgelaufenen Zeitraum hat sich der Warenanteil der H/W-Ware bis Ende Juli sogar reduziert. Wir stellen bereits jetzt fest, dass bis Juli 17,2% weniger Herbstware auf die Flächen kam als noch im vergangenen Jahr.
Wann ist das Gros der Herbstware ausgeliefert?
Die Anteiligkeit der frühen Liefertermine wurde im Vergleich zu 2023 gemindert. Im letzten Jahr waren die stärksten Liefertermine im August und September. Wir nehmen an, dass es sich für diese Saison leicht nach hinten verschieben wird und die stärksten Liefertermine noch bevorstehen. Entsprechend gering ist die Umsatzbedeutung der H/W-Ware zum aktuellen Zeitpunkt.
Wie hat Ihr Panel den Juli und die ersten zwei August-Wochen abgeschlossen?
Der Juli schloss im H.I.T.-Kreis mit einem Umsatzminus von 2,4% zum Vorjahr ab. Aufgelaufen liegen wir durch dieses Ergebnis bei minus 1,4% im Vergleich zum Vorjahr. Die KW 31 und 32 wiesen ein mittleres einstelliges Minus auf.
Wie hoch sind derzeit die Abschriften?
Aufgelaufen liegen die Abschriften per Juli 2024 um 0,3 Prozentpunkte über dem Vorjahresniveau, jedoch deutlich unter den Werten der Jahre 2018 bis 2022. Im Juli 2024 lagen die Abschriften bei 19,3% und waren damit deutlich niedriger als in den letzten sechs Vorjahren im Vergleichsmonat.
Was sind die wichtigsten KPIs bei der Warensteuerung?
Rohertrag, Umsatz, Lagerbestand, LUG, OTB-Limit. All diese Kennzahlen gilt es, für jeden Händler tages- und wochenaktuell je Category zu tracken und entsprechende Maßnahmen zur Optimierung einzuleiten.
Wie sieht es bei diesen und den anderen Kennziffern aus?
Die LUG hat sich im H.I.T.-Kreis aufgelaufen gegenüber dem Vorjahr um 4,4% verringert. Die erzielte Kalkulation konnte um 0,4 Prozentpunkte gesteigert werden. Dieses Ergebnis konnte u.a. durch die gesunkenen Preisänderungen (minus 0,6 Prozentpunkte aufgelaufen) und eine verbesserte Wareneingangs-Kalkulation (plus 0,2 Prozentpunkte) erzielt werden. Die Conversion Rate konnte zwar im Juli im Vergleich zum Vorjahr minimal gesteigert werden, aufgelaufen per Juli schneidet sie jedoch negativ ab.
Wenn die Kundinnen und Kunden jetzt Herbstware kaufen, zu welchen Produkten greifen sie?
Für die DOB gab es im Juli keine Überraschungen: Wieder eines der Top-Sortimente stellten die Röcke (plus 31,1% zum Vorjahr) dar. Die ersten Herbströcke verkauften sich vor allem in längeren Schnitten, wie z.B. Midi-Längen. Die Schnitte der Röcke waren wieder etwas enger als in den vorherigen Saisons. Im Juli haben sich in der HAKA vor allem die Freizeithemden gut entwickelt (plus 2,2% zum Vorjahr). In unseren Top-Artikelübersichten ergibt sich bei der Herbstware ein abwechslungsreicher Überblick an lässigen Freizeithemden.
Welche Stilgruppen laufen schon gut?
In der DOB entwickelten sich im Juli die Stilgruppen Moden Classic Premium (plus 7,8% zum Vorjahr) und die Stilgruppe Trendy (plus 5,9% zum Vorjahr) am besten. Die HAKA hingegen verzeichnete im Juli über alle Stilgruppen eine negative Umsatzentwicklung. Die Modern Classic Premium hat mit einer Umsatzveränderung von minus 1,5% zum Vorjahr noch am besten abgeschnitten.
Was sind die Herausforderungen für die Warensteuerung in der neuen Saison? Und generell?
Hier sehen wir drei mögliche Ansatzpunkte.
Erstens: Flexibel bleiben: Flexibilität innerhalb der Saisons ist ein gefragtes Thema, denn die Grenzen einer Saison verschwimmen immer mehr. Es bleibt die Herausforderung, die richtige Ware zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort anbieten zu können und schnell auf Trends und exogene Faktoren zu reagieren.
Zweitens: Wettbewerbsfähigkeit durch Geschwindigkeit: Händler und Lieferanten müssen gemeinsam an Geschwindigkeit aufnehmen, um mit vertikalen Vertriebssystemen mithalten zu können. Auf Trends muss eine schnelle Reaktion erfolgen, um in der schnelllebigen Gesellschaft langfristig konkurrenzfähig zu sein.
Drittens: Kundenfokus – eine kundenspezifische Ansprache kann den Warenabsatz signifikant beeinflussen. Je ziel- und bedarfsgerechter die Ansprache ist, desto besser der Warenabsatz und die Spanne. Auch das Sortiment gilt es entsprechend zu kuratieren und den individuellen Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden.
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