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TextilWirtschaft: "Eine Erholung wird es erst 2024 geben"

Kurz vor Jahresende blickt Michael Hauf von Hachmeister + Partner eher skeptisch in die Zukunft. Die Modenachfrage habe sich abgeschwächt. Eine Entwicklung, die er auch für 2023 erwartet. Ein Gespräch über die zu erwartenden Zuwächse im Online-Modehandel, zu volle Läger und die Gefahren von Galeria-Schließungen für die Branche.

Veröffentlicht am 07.12.2022

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Nachhaltigkeit bei h + p Mandant MAC

TextilWirtschaft: Wie stellt sich die Marktsituation in Ihrem Händlerkreis in diesem Jahr dar?
Michael Hauf: Bisher liegt für den November nur die Auswertung für den HIT-Kreis vor, demnach hat die HAKA den November im Vergleich zu 2019 mit einem Minus von 8,5%, die DOB mit einem Minus von 9,2% abgeschlossen. Tendenziell performen diese Händler etwas besser als unser Panel insgesamt.
Das Jahr 2022 endet nach unserer Einschätzung bei minus 8% zu 2019 und plus 25% im Vergleich zu 2021. Der E-Commerce hat in unserem Händlerkreis im Vergleich zu 2021 minus 7% verloren, liegt aber immer noch 9% über dem Niveau von 2019. Bei den Stückzahlen hinkt der Markt locker zweistellig hinterher. Die Läger sind jetzt etwas höher als geplant, zum Jahresstart waren sie niedriger als normal. Die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt.

Wie nachhaltig ist die Verschiebung des Modekonsums von online nach stationär?
Das ist keine Korrekturbewegung, die wir in diesem Jahr gesehen haben, das ist eine statistische Bewegung. Das Jahr 2021 war für den E-Com überraschend stark, was aber noch eine Folge aus den Corona-Lockdowns war. Er wird sich schon ab nächstem Jahr sicher wieder auf eine einstellige Wachstumsrate einpendeln. Kommendes Jahr erwarten wir im Online-Business rund 20 Mrd. Euro Modeumsatz, das sind rund 36% des gesamten Marktes. Unsere Mittelfristprognose geht auf alle Fälle von einem Anteil von über 40% aus. Stationär erwarten wir im kommenden Jahr auch deswegen ein kleines Minus. 2024 sollte sich der Markt dann weitgehend stabilisiert haben, dann wird das Wachstum nur noch in 1%-, 2%-Schritten zulegen. Insgesamt ist die Kanalbetrachtung schwierig, weil sich gerade bei Multichannel immer die Frage stellt: Welcher Umsatz ist stationär, welcher online zuzurechnen? Denken Sie nur an Click & Reserve. Ist das jetzt online oder stationär? Aus Kundensicht ist es egal, aber die Händler haben dahinter ganz unterschiedliche Prozesse und Kostenstrukturen.

Wie stark lassen sich die Konsumentinnen und Konsumenten von der Inflation beim Modekauf beeinflussen und was macht die Inflation mit der Preisarchitektur in Handel und Industrie?
Die Inflation hat eine erhebliche Wirkung, die wir dieses Jahr aber nur bedingt gemerkt haben. 2023 werden die Preise auch bei Modeprodukten stärker steigen. Viele Händler haben die zum Teil zweistelligen Preissteigerungen noch nicht weitergegeben. Wir gehen nicht davon aus, dass der Kunde das akzeptiert und eher mal ein Teil weniger kauft. Das hängt natürlich vom Kunden, seiner Modeaffinität und seinem Budget ab. Es wird schon die Kunden geben, die eine Hose kaufen wollen, und wenn die Marke jetzt 79 statt 69 Euro verlangt, auf einen anderen Anbieter ausweichen. Diese Entwicklung wird zukünftig die Marken und Anbieter bevorteilen, die ein preiswertes Image haben. Das wird Druck auf die untere Mitte ausüben.

Wie verschieben sich die Anteile innerhalb der Kundenstruktur?
Dieses Jahr weist tendenziell der hochwertige Bereich die beste Entwicklung auf. Das mittlere Genre hat 2022 im Vergleich zu 2019 10% verloren. Das hohe Genre hat 2% Umsatz im Jahresvergleich dazugewonnen, der Preisbereich hat hingegen verloren, wobei die Eigenmarken aber zugelegt haben. Insgesamt hat das Preisgenre schlechter als das mittlere Genre und das Premium-Segment abgeschlossen. Es ist offensichtlich, dass es eine Kaufzurückhaltung gibt. Von einem extremen Bedarf an Bekleidung kann man nun ja auch nicht sprechen.

Wie stabil ist der Luxusmarkt?
Luxus ist nicht nur stabil, sondern auf Wachstumskurs. Das Segment liegt schon dieses Jahr über 2019, 2023 wird es sich auch besser entwickeln als Premium. Die Luxuskunden müssen inflationsbedingt auch sparen, aber das müssen sie wahrscheinlich nicht an Bekleidung. Da geht es eher ums Aktienportfolio oder die Immobilien.

Was erwarten Sie für 2023 und was werden die größten Herausforderungen sein?
Sicherlich wird es ein herausforderndes Jahr. Das nehmen auch die Unternehmen so wahr. Von Restrukturierungsexperten hören wir jetzt schon, dass sie – ganz anders als in der Corona-Zeit – gut zu tun haben und bis weit ins kommende Jahr ausgelastet sind. Viele Unternehmen gehen davon aus, dass 2023 schwieriger wird als 2022. Auch, weil sich einige Marktbewegungen schon abzeichnen. Falls Galeria 50% der Läden schließt, passiert das nicht geräuschlos, es würde den Markt beeinflussen. Darüber hinaus gibt es viele Unsicherheiten, die man mit einberechnen muss, die aber zum Teil kaum absehbar sind. Wir werden sicher in eine leichte Rezession reinlaufen und das kostet den einen oder anderen Arbeitsplatz. Das sind keine guten Faktoren für die Branche. Deswegen bin ich skeptisch und erwarte eine Erholung erst für 2024. Dass 2019 wieder erreicht wird, wird wohl erst 2025 der Fall sein. Im kommenden Jahr wird der Markt etwas verlieren.

TextilWirtschaft, Azizia Freutel: Wie geht's Deutschalnd, Michael Hauf von hachmeister + partner?: "Eine Erholung wird es erst 2024 geben" (Mittwoch, 7. Dezember 2022)

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