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TextilWirtschaft: Analyse von h+p

Frank Ganzasch von Hachmeister + Partner über die Diskrepanz zwischen aktueller Stimmung und den Aussichten. Und warum die Aufmerksamkeit jetzt der Conversion Rate gelten sollte.

Veröffentlicht am 17.06.2022

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"Umsätze im Mai erstmals über Vor-Corona-Niveau"

TextilWirtschaft: Nach dem Stimmungseinbruch im März durch den Krieg in der Ukraine haben die Modeausgaben wieder deutlich zugelegt. Ist dieser Nachfrageschub von längerer Dauer?
Frank Ganzasch: Vom inneren Stimmungsbild der Gesellschaft würden man sagen 'Ja'. Wenn man allerdings die Gesamtsituation und hier vor allem die weiterhin hohe Inflationsrate betrachtet, dann hat es eine dämpfende Wirkung auf die Modeausgaben. Diese werden besonders in den unteren Einkommensgruppen deutlich ausfallen.

Wie haben sich die Umsätze in Ihrem Kreis im Mai entwickelt?
Der Monat Mai war der erste Monat im laufenden Jahr mit einer positiven Umsatzentwicklung gegenüber dem Vorkrisenniveau in unserem Panel. Im Vergleich zum Jahr 2019 erhöhten sich die Umsätze mit Bekleidung um plus 4,1% im stationären Fashion-Handel. Rechnet man die Online-Umsätze mit hinzu, lagen die Umsätze sogar 6% über 2019.

Wie haben sich Ertrag, LUG, Stückzahlen, Abschriften, Kundenzahl und Conversion Rate entwickelt?
Auffällig sind der gesunkene Anteil an Rotpreis-Artikeln und die insgesamt niedrigeren Preisabschriften. Die Händler gingen in den vergangenen Wochen äußerst sensibel vor, was nicht zuletzt am geringeren Warendruck durch die aktuell um rund 5% geringeren Beständen sowie natürlich an der eingeschränkten Warenverfügbarkeit liegt. Im Vergleich zum Vorkrisenniveau sind die Abschriften um insgesamt 1,8%-Punkte gesunken. Entsprechend ergibt sich aus dem geringeren Abschriftenniveau mit dem Umsatzplus auch ein höherer Ertrag. Auch die LUG liegt erstmalig wieder über 2019 und ist um 0,1-Punkte gestiegen. Die Frequenz liegt noch 9% unter dem Niveau von 2019, aber die Kundenanzahl erreichte fast wieder das alte Niveau.

Was erwarten Sie für den Abschluss des ersten Halbjahres?
Für das erste Halbjahr rechnen wir mit einem Umsatzrückgang im stationären Kanal von etwa minus 11% zum Vorvorjahr und inklusive online rund minus 8% zum Vorvorjahr. Dies würde eine Verdopplung der Umsätze gegenüber des ersten Halbjahres 2021 bedeuten, als der stationäre Handel im Januar und Februar komplett geschlossen war. Aufgrund der hohen Abschriften- und Kostensensibilität im Handel fällt der Ertragsrückgang im Vergleich zu 2019 jedoch deutlich geringer aus.

Inwieweit ist die Modenachfrage aktuell von Nachholeffektengeprägt?
Wir sehen insbesondere in den festlichen Sortimenten derzeit starke Umsatzzuwächse. Durch den Ausfall von Feiern seit Corona haben die Kunden hier auf jeden Fall einen großen Nachholbedarf, auch wenn die Nachfrage bei Sakkos, Krawatten und (City-)Hemden immer noch unter dem Vorkrisenniveau liegt. Aber auch in den Casual-Segmenten haben die Kunden wieder Lust auf Mode.

Was kaufen die Kundinnen und Kunden jetzt besonders?
Schuhe und Travel haben die beste Performance im Vergleich zu 2019. Wäsche und KOB liegen im Mittelfeld. Die HAKA läuft aktuell besser als die DOB. Bei den Männern laufen Wirkwaren gut, insbesondere T-Shirts, Bermudas und Freizeithosen. In der DOB sind Sweatshirts gefolgt von Kleidern, Freizeithosen und T-Shirts gefragt. Im Schuh-Bereich waren es die Pantoletten und Sneaker. Im Wäsche-Bereich ist es die Bademode, die aktuell gefragt ist. Premium verkauft sich unverändert besser als Mainstream und Modern wächst stärker als Classic.

Inwieweit lässt sich eine Veränderung des Kaufverhaltens infolge der hohen Inflation feststellen?
Aktuell zeigt sich im H+P-Panel, dass die Ausgaben pro Bon steigen, während die Anzahl der gekauften Artikel pro Bon stagniert. Im Wesentlichen liegt das an der Verschiebung hin zum Kauf höherpreisiger Artikel, die mit geringeren Abschriften gekauft werden. Wir gehen von einer Reduktion der Jahres-Stückkäufe je Kunde insgesamt aus. Es wird weiterhin wertiger, aber selektiver gekauft. Im Gesamtmarkt sieht die Situation anders aus. Im unteren Preisbereich gilt es für die Kunden aufgrund der hohen Inflationsrate preissensibler und noch stärker bedarfsorientiert einzukaufen. Mit entsprechenden Konsequenzen für die Absatzentwicklung in diesem Preisgenre.

Was werden im zweiten Halbjahr die größten Herausforderungen für die Modehändler sein?
Bei anhaltend geringeren Kundenfrequenzen gilt es weiterhin, die Warenkörbezu erhöhen, um gleichwertige oder höhere Umsätze zu generieren. Den Kund:innen sollte deshalb einShopping-ErlebnisinWohlfühl-Atmosphäregeboten werden, um sich damit deutlicher vom Online-Kanal abzugrenzen. Ziel muss es seinCross-Selling-Potenzialeendlich umfänglich auszuschöpfen. Hohe Aufmerksamkeit muss derConversionRate gelten, sodass bei einer weiterhin geringeren Frequenz ein entsprechender Umsatz generiert wird.

Dies gelingt mit einer auf die Frequenz abgestimmten Personalbesetzung, die auch für die Argumentation der höheren Preise gegenüber den Kunden benötigt wird. Eine weitere Herausforderung und hohe Wichtigkeit ist die Verzahnung zwischen Handel und Hersteller. Hier gilt es, vernetzter und abgestimmter vorzugehen.

TextilWirtschaft, Azizia Freutel: Analyse von h + p: "Umsätze im Mai erstmals über Vor-Corona-Niveau" (Freitag, 17. Juni 2022)

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