// Fachartikel

Süddeutsche Zeitung: Hanffasern statt Baumwolle

Die Firmenchefin des Hosenherstellers Mac Eveline Schönleber hat ein Ziel: Bis 2030 sollen alle Stoffe aus recycelten Materialien hergestellt werden. Doch der Weg zur Nachhaltigkeit ist lang und verlangt Mut zum Experimentieren.

Veröffentlicht am 06.12.2022

null
Magazin > Süddeutsche Zeitung: Hanffasern statt Baumwolle

Nachhaltigkeit bei h + p Mandant MAC

Der Weg zu Eveline Schönleber in der Oberpfalz führt über einen von grünen, akkurat geschnittenen Hecken gesäumten Weg. Die Gebäude wirken wie Gewächshäuser – viel Glas, viel Holz, viel Licht. Schönleber ist geschäftsführende Gesellschafterin des Hosenherstellers Mac Mode. Die Hecken, das Gebäude, einfach alles soll zeigen, wie ernst es Mac und seine Chefin mit der Nachhaltigkeit meinen. Und natürlich die Hosen, Mac macht nichts anderes. „Wir konzentrieren uns auf das, was wir am besten können“, sagt Schönleber. Ein rundes Dutzend Hosen für Männer und Frauen hängt an Haken im breiten, langen Gang. Schönleber hat zu jeder eine Erklärung.

Mac sei nach dem Global Organic Textile Standard, kurz GOTS, zertifiziert. Die Baumwolle stamme fast vollständig aus ökologischem Anbau oder erfülle die Kriterien der Better Cotton Initiative (BCI). „Wir könnten auf dem Markt gar nicht so viele Bio-Baumwollstoffe bekommen, wie wir benötigen“, sagt Schönleber. Immer wieder fasst sie eine der Hosen an, als könne man Nachhaltigkeit nicht nur sehen, sondern auch fühlen.

Mit der Winter-Kollektion bringt Mac die ersten mit Erden gefärbten Hosen auf den Markt. Pflanzlich gefärbte Stoffe stecken bei den Lieferanten in der Entwicklung.

Es ist nicht leicht für Verbraucher und Verbraucherinnen, sich einen Durchblick zu verschaffen, was in der Mode nachhaltig ist und was nicht. Es gibt viele Textilsiegel. Es gibt Seiten wie Siegelklarheit.de, Label-Online, die der Verbraucherzentrale oder des Umweltinstituts München, die die Siegel erklären. GOTS ist eines der anspruchsvolleren. Dass manche Firmen eigene Kennzeichen verfolgen, macht es für die Verbraucher nicht einfacher.

Mac kennzeichnet seine Waren auch mit einem eigenen Label: „Protect our Planet“ steht drauf, übersetzt heißt das: Schütze unseren Planeten. Ein QR-Code auf dem blauen Pappschild führt auf die Internetseite des Familienunternehmens. „In ein paar Monaten sollen Käufer und Käuferinnen über den Code auch nachvollziehen können, welche Materialien genau für ihr neues Kleidungsstück verwendet wurden“, sagt Schönleber. Hosen mit dem Mac-Siegel müssen mindestens zwei der selbst gesetzten Kriterien erfüllen, zum Beispiel mit recycelter Baumwolle hergestellt werden. Sie wird aus in den Spinnereien anfallenden Abfällen oder aus alten Hosen gewonnen. „Mehr als ein Anteil von 20 Prozent sei derzeit aus Qualitätsgründen nicht möglich“, sagt Schönleber. Die Fasern der recycelten Baumwolle seien kürzer und damit die Hosen weniger strapazierfähig. Mac hat viele eigene Kriterien. Für Stretch-Jeans werde Econyl verwendet, eine synthetische Faser aus Kunststoffabfällen von Deponien und aus dem Meer. „Solche Jeans sind dann aber auch zehn bis 15 Euro teurer“, sagt Schönleber. Mittlerweile trage fast jede verkaufte Jeans das eigene Siegel.

Zu den ökologischen und sozialen Auswirkungen der Modebranche gibt es viele Studien. Die Ergebnisse lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Es ist ein schmutziges Geschäft. Die Modeindustrie belaste die Umwelt stark, heißt es auch in einer Studie des Öko-Instituts und der dänischen Beratungsfirma Plan Miljø für die EU-Kommission. Ein Problem: Belastungen und Konsum finden an unterschiedlichen Orten statt. Drei Viertel der Treibhausgasemissionen, die durch die Produktion von Textilien für den europäischen Verbrauch verursacht werden, entstünden in anderen Teilen der Welt. Viele Unternehmen wollen mittlerweile nachhaltiger wirtschaften oder geben es vor. Im Konvolut der Etiketten, die an Hosen, Anzügen und Kleidern baumeln, tauchen die Worte Grün, Nachhaltig und Verantwortung immer häufiger auf. Manche Unternehmen verfolgen die Strategie radikaler, nicht immer, aber tendenziell sind es die jüngeren Firmen wie die niederländische Firma Mud Jeans mit ihrem Mietmodell für Jeans.

Die US-Outdoor-Firma Patagonia provozierte schon 2011 zum Kaufrauschtag Black Friday mit dem Slogan „Don’t buy this jacket“. 2020 mahnte sie: „Buy less, demand more.“ Weniger verkaufen, mehr verlangen. Ein Aufruf zum Konsumverzicht? Schönleber beantwortet die Frage, ehe sie zu Ende formuliert ist: „Am nachhaltigsten wäre es, gar nicht zu produzieren“, sagt sie. Aber damit wäre auch die Firma obsolet. Etwa sechs Millionen Hosen verkauft Mac jedes Jahr. Es sollen noch mehr werden. „Ökonomie, Gewinne sind die Voraussetzung für Nachhaltigkeit“, sagt Schönleber.

Und rentabel ist das Familienunternehmen. „Wir haben noch nie einen Bankkredit aufgenommen“, sagt Schönleber. In diesem Jahr erwartet Mac Mode knapp 140 Millionen Euro Umsatz, die operative Umsatzrendite werde wie im vergangenen Jahr im niedrigen zweistelligen Prozentsatz liegen. 60 Prozent der Erlöse macht Mac Mode mit Damenmode, 40 Prozent mit Herrenmode, mehrere Kollektionen im Jahr. Schönleber läuft durch den langen Gang zum Showroom. Sie geht und redet. „Wir reden hier viel über Mode, aber eigentlich geht es um Passform und Qualität. Sie entscheide am Ende, ob jemand eine Hose kauft oder nicht. Eine nachhaltige Jeans, die nicht gut aussieht, kauft keiner.“

Der Weg zur Nachhaltigkeit ist lang. Seit 2019 lässt sich Mac dabei von der Beratungsfirma Hachmeister und Partner aus Düsseldorf begleiten. Beraterin Franziska von Becker hat in ihrer Präsentation einzelne Schritte auf einer Zeitleiste markiert. Seit 1983 setze Mac nur nickelfreie Produkte ein. Seit 1997 verzichte das Unternehmen auf Metallösen in den Etiketten. Im Rückblick hatte schon die Gründung 1973 nachhaltige Aspekte.

Viele gaben auf oder sind abgewandert, weil es in Asien billiger war. Für Mac arbeiten knapp 480 Mitarbeitern. Bei den Partnern sind es den Angaben zufolge noch einmal knapp 3500.

Schönleber, 52, selbst hat beim Wäschehersteller Triumph in Regensburg ihre Lehre gemacht, studierte dann in Mailand und New York Modedesign, arbeitete Anfang der Neunzigerjahre für Triumph und wechselte 1997 zu Mac. Schon beim Vorstellungsgespräch habe sie Max Gansbühler gesagt: „Ich will auf Ihren Stuhl“. 2004 war es so weit. Seither ist Schönleber geschäftsführende Gesellschafterin.

Zur Strategie, so liest sich die Zeitleiste, wird Nachhaltigkeit erst 2012. In jenem Jahr bringt das Unternehmen die erste Produktlinie mit recycelter Baumwolle auf den Markt, erst einmal 250 000 Hosen. Mac lässt in Europa und Nordafrika produzieren und neuerdings auch wieder in Deutschland, „ein paar Tausend Hosen für Männer“. Mehr als die Hälfte der Produktion stammt aus der Türkei. „Die kürzeren Transportwege sparen CO₂“, sagt Schönleber. Und in der Pandemie, als die Lieferketten nach Asien gestört waren, habe sich die Produktion in Europa und Nordafrika als Vorteil erwiesen. „Wir konnten liefern“, sagt Schönleber. Die Ware, die Händler nicht abnehmen konnten, weil die Läden geschlossen waren, „haben wir eingelagert. Wir haben dafür sogar Lagerraum angemietet.“

Mehr als zehn Millionen Meter Stoff und mehr als 4000 verschiedene Zutaten verarbeite Mac jedes Jahr. Stoffe und Zutaten wie Reißverschlüsse, Knöpfe und weitere Accessoires stammen Schönleber zufolge von europäischen Anbietern. „Es braucht heute auch weniger Kraft, sie von nachhaltigen Materialien zu überzeugen“, so Schönleber. Die Chefin steht jetzt im Showroom. Da zeigt die Firma die neuen Kollektionen und die neuen Materialien, mit denen sie schon arbeiten oder arbeiten wollen. Etwa Etiketten aus Apfelleder, die in Italien aus Abfällen der Saft- und Kompostindustrie hergestellt werden. Metallknöpfe, die bislang vernietet werden, sollen nach und nach durch abschraubbare Knöpfe ersetzt werden. So lassen sie sich leichter lösen, wenn die Jeans dann recycelt werden sollen.

Dann wurde es das Naturprodukt durch Kunststoff verdrängt.

„Wir suchen auch nach Alternativen für Baumwolle“, sagt Schönleber. Seit zwei Jahren verwende Mac Stoffe mit Hanffasern. Ein Anteil von bis zu 20 Prozent sei schon möglich, so Schönleber. Schwieriger sei es, Brennnesselfasern zu Stoffgemischen zu verarbeiten.

Schönleber hat Ziele für Mac. Vom Jahr 2030 an sollen alle Stoffe vollständig aus recycelter Baumwolle und Synthesefasern hergestellt werden. Der Anteil regenerativer Fasern wie Hanf und dann vielleicht auch Brennnesseln soll bei 40 Prozent liegen. Schönleber will den Kreislauf schließen. Schon im nächsten Jahr will sie einen Online-Shop für gebrauchte Mac-Jeans einführen. „Wir müssen hier in den nächsten zehn Jahren Vollgas geben“, sagt Schönleber. Aber das tut sie ja schon die ganze Zeit.

Süddeutsche Zeitung, Elisabeth Dostert: Hanffasern statt Baumwolle (Dienstag, 6. Dezember 2022)

// Magazin

Weitere Artikel


© 2025 hachmeister + partner