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Uwe Seibicke, Partner bei der Unternehmensberatung hachmeister + partner, spricht im Interview über die Entwicklung von Young Fashion, die Bedeutung von Markenkommunikation und wie Händler den Spagat zwischen Stammkunden und jungen Käufern meistern können. Dabei gibt er wertvolle Einblicke in die Herausforderungen und Chancen des Modemarkts.
Veröffentlicht am 15.12.2024
Uwe Seibicke, Partner bei der Unternehmensberatung hachmeister + partner, spricht im Interview über die Entwicklung von Young Fashion, die Bedeutung von Markenkommunikation und wie Händler den Spagat zwischen Stammkunden und jungen Käufern meistern können. Dabei gibt er wertvolle Einblicke in die Herausforderungen und Chancen des Modemarkts.
FASHION TODAY: Früher war das klar – wer junge Mode wollte, ging in die passende Abteilung im Kaufhaus oder in die entsprechenden Läden. Aber heute verschwimmen die Grenzen und Young Fashion ist als Gattungsbegriff überflüssig, es geht um Styles. Ist die Behauptung richtig oder falsch?
Uwe Seibicke: „Es stimmt, dass die Abgrenzung von Young Fashion früher klarer war. In diesem Zusammenhang macht ein Blick auf die Kundschaft und deren Kauf- und Informationsverhalten Sinn. Wir beobachten eine Verschiebung der Ansprüche an Mode, auch hinsichtlich der Frage, wer sie trägt. Die ,modische Intensität‘ dient als Schlüssel zur Segmentierung. Insbesondere die Baby-Boomer-Generation zeigt einen wachsenden Anspruch an modische Produkte, was die Relevanz dieses Segments erhöht und potenzielle Marktanteile in diesem Bereich deutlich stärkt.“
Was zeichnet in Ihren Augen Young Fashion aus, wie lässt sich Young Fashion heute definieren?
„Young Fashion besticht weiterhin durch außergewöhnliche Styles, die sowohl durch generelle Trends als auch durch eine beeindruckende Vielfalt geprägt sind. Individualität spielt dabei eine zentrale Rolle und stellt zugleich Chance und Herausforderung dar. Die Balance zwischen persönlichen Ausdrucksmöglichkeiten und der Einbindung in übergreifende Strömungen ist essenziell, um dieses Segment erfolgreich zu bedienen.“
Geht die Markenbildung bei junger Mode stärker über das Produkt oder über die Kommunikation?
„Bei Kundinnen und Kunden, die sich mit Marken identifizieren, steht mehr als nur das Produkt im Fokus. Es geht um Lifestyle und die Vermittlung eines Lebensgefühls. Gleichzeitig gibt es jedoch Individualistinnen und Individualisten, die ihren vermeintlich eigenen Stil in den Vordergrund stellen – hier rückt das Produkt selbst ins Zentrum. Diese Differenzierung erfordert ein tiefes Verständnis der Zielgruppen, um sowohl emotionale Markenzugänge als auch individuelle Produktansprüche gezielt anzusprechen.“
Wie würden Sie eine junge Marke im Markt starten?
„Die verfügbaren Mittel bestimmen die Herangehensweise maßgeblich. Eine klare Positionierung ist dabei essenziell und muss durchgängig definiert werden – vom Produkt über die Platzierung bis hin zur Kommunikation. Social Media und die Zusammenarbeit mit Influencern spielen eine zentrale Rolle in der Ansprache der Zielgruppe. Ebenso ist die physische Präsenz an den Hotspots der Zielgruppe entscheidend. Eine durchgängige Strategie, die alle relevanten Touchpoints einbindet, sorgt dabei für den nachhaltigen Erfolg.“
Wenn Marken mit Ihren Kunden alt werden, haben Sie ein Problem. Wie lässt sich das vermeiden, ohne an Glaubwürdigkeit bei den „Stammkunden“ zu verlieren?
„Das ist eine echte Herausforderung! Dazu gibt es unzählige Beispiele, die das nicht geschafft haben. Eine entscheidende Grundlage ist eine klar definierte DNA, die konsequent weiterentwickelt wird, ohne ihre Markenidentität zu verlieren. Es geht darum, Modernität zuzulassen und gleichzeitig die Herkunft zu bewahren – ein echter Spagat, der Fingerspitzengefühl und strategisches Denken erfordert.“
Bei den Autos gibt es immer wieder Versuche, Kultmodelle wiederzubeleben, teils in der Elektromobilität, haben die Fahrzeuge im Grunde nur noch den Namen gemein und die Optik, wenn es gut gemacht wird. Mal gelingt es wie beim Mini oder Fiat 500, mal nicht. Gibt es Parallelen in der Mode?
„Nur sehr starken Brands wie zum Beispiel BURBERRY kann so eine Transformation gelingen. In diesem Fall wurde die Heritage der Marke in die Neuzeit gebracht, ohne den Markenkern zu verlassen. DOLCE & GABBANA ist ebenso ein Brand-Beispiel, der es geglückt ist, sich immer wieder neu zu erfinden. Dabei ist es gelungen, Ikonen wie zum Beispiel Madonna als Markenbotschafter zu gewinnen.“
Wie geht der Handel mit dem Spannungsverhältnis um, auf der einen Seite etabliert im Markt bestehen zu müssen und andererseits junge Menschen an sich zu binden, die vielleicht ganz andere modische Präferenzen haben?
„Auch aus Handelssicht ist das eine Herausforderung. Der Schlüssel liegt darin, die Kunden wirklich zu kennen. Ein ansprechendes Ladendesign allein reicht nicht aus. Es bedarf einer gezielten Kommunikation in den relevanten Kanälen und Mitarbeitender, die den Anspruch eines Stylisten erfüllen, anstatt sich nur auf das Aufräumen zu konzentrieren. Idealerweise kreieren diese Stylisten auch Inhalte für soziale Netzwerke und verbinden so die analoge mit der digitalen Welt. Authentizität ist dabei ein zentraler Faktor, um diese Zielgruppe zu erreichen und langfristig erfolgreich zu sein.“
FASHION TODAY, Markus Oess: Stil statt Alter (Ausgabe Dezember 2024)
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